Text Andacht                     

 Andacht zum Sonntag  Kantate am 10.5.2020
„Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder.“ (Ps.98,1)

Liebe Gemeinde,

Deutschland lockert seine Corona bedingten Regeln und der Föderalismus beschert uns einen bunten Flickenteppich von verschiedenen – regional bedingten – Einzelregelungen. Was die einen verwirren mag, ist die Freude der anderen: Buntheit und Vielfalt in vielen Lebensbereichen.
Auch wir als Kerpener Gemeinde werden ab kommenden Sonntag wieder öffentliche Gottesdienste feiern, zunächst als Kurzgottesdienste. Obwohl andere schneller wieder ein Angebot machen, sind wir froh und einmütig im Leitungsgremium, dass wir mit unserem Hygienekonzept Regeln haben, die praktikabel sind. Das ist eine gute Nachricht am Sonntag Kantate.
Das Leben gewinnt wieder an Fahrt, Begegnungen werden möglich und auch wenn sich die innere Logik der neuen Freiheiten nicht jedem erschließen mag: insgesamt tut es den Seelen gut.
Und ich merke, wie dankbar viele sind, dass es wieder etwas „Normalität“ gibt.

Vor 75 Jahren endete am 8. Mai 1945 der 2. Weltkrieg mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands. Die Zeit des Nationalsozialismus fand offiziell ein Ende. An den Folgen litten und leiden bis heute viele Generationen von Kindern und Enkeln der Kriegs- und Nachkriegsgenerationen in aller Welt. Das Grauen des Krieges war nicht nur der Tod, sondern auch das Leiden von Menschen, von Tieren und der gesamten Schöpfung. So viel Zerstörung brachten Menschen in ihrer Hybris über die bewohnte Erde.
Vor 75 Jahren gab es mit dem Kriegsende ein Aufatmen. Das Leben ging weiter, irgendwie musste es das ja auch. Generationen versuchten ihre Zukunft neu zu gestalten und wieder in eine „Normalität“ des Lebens zu finden.
Manche sangen dankbare Loblieder, manche blieben verstummt für lange Zeit, sogar ein Leben lang.
Angesichts des Erlebten und des vielen menschlichen Versagens fragten sich die Menschen, wie Gott das zulassen konnte. Die klassische Frage nach der Theodizee wurde laut. 

Ist es nicht erstaunlich, dass Menschen, die aus ideologischen, politischen oder wirtschaftlichen Gründen sehenden Auges handeln und ihr Streben nach Autonomie an oberste Stelle setzen, sich rückblickend nur allzu gern vor ihrer Verantwortung drücken?
„Hätte nicht Gott…?“ „Warum hat Gott nicht…?“, wird laut geklagt.
Wo es doch heißen müsste: „Warum haben wir…? Und warum haben wir nicht…?“
Oder wie es in der Stuttgarter Schulderklärung vom Oktober 1945 heißt: „…wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben“.

Liebe Gemeinde, dass  Gott auch angesichts ständiger menschlicher Verfehlun-gen und sündiger Abkehr von seiner Weisung, diese Welt, seine Schöpfung, nicht fallen lässt, ist das große Wunder, das wir immer wieder dankbar besingen dürfen.
Gott hält Bund und Treue. Das ist angesichts unserer vielen Ausreden und fadenscheiniger Entschuldigungen ein echtes Wunder.
Darum: „Singet dem Herrn ein neues Lied…“
Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Woche mit Augenblicken der Ehrlichkeit im Großen und im Kleinen.

Herzlichst

Ihre Pfarrerin Dr. Yvonne Brunk