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Text Andacht
Andacht Sonntag den 19.7.2020
Predigt zu 5. Mose 7,6-12 "blindes Vertrauen"
„Herr Herbertz, weshalb glauben Sie eigentlich an Gott?“
Mit aller Regelmäßigkeit wird mir diese Frage von meinen Schülerinnen und Schülern gestellt. Meist geschieht das im Verlauf der Jgst 10, also dann, wenn die Jugendlichen im Religionsunterricht mündig werden, anfangen kritisch zu denken, den Kinderglauben aus der Unter- und Mittelstufe hinter sich lassen.
Die Frage nach meinem Glauben hat eigentlich mehrere Ebenen. Da ist zum einen das echte Interesse der SuS an ihrem Lehrer, schließlich steht Im Religionsunterricht der Lehrende gleichsam für das Fach…und sollte derjenige, der vorne steht und unterrichtet, die Frage nicht beantworten können, hätte er oder sie schon verloren. Und so ist diese Frage auch eine Art Lackmustest für den Lehrer, den Schulpfarrer, das Fach Religion an sich.
Gleichzeitig beinhaltet die Frage aber noch mehr..es ist kein Wunder, dass sie gerade am Anfang der Oberstufe regelmäßig gestellt wird. Schließlich lernen die SuS jetzt, althergebrachte Deutungsmuster zu verlassen, kritisch zu denken und zu fragen, eigene Einstellungen zu überprüfen. Und so steckt hinter der Frage eine berechtigte, ja geradezu gewollte neue Kritikfähigkeit. Denn hinter der Frage „ Herr Herbertz, weshalb glauben Sie eigentlich an Gott?“ steckt noch viel mehr - nämlich eine Art von Vorwurf, der aus den Anfragen der modernen Zeit resultiert.
Denn eigentlich wollen die SuS sagen: „Wie können Sie als moderner Mensch überhaupt an Gott glauben? Nichts spricht doch für seine Existenz - ja geradezu alles gegen das Sein eines Gottes. Gott ist und bleibt unbeweisbar, und das in einer Welt, die empirisch, wissenschaftlich, faktenbasiert lebt und urteilt. In einer Welt, die spätestens seit der Aufklärung im späten 18. Jhd die Welt allein durch die menschlichen Vernunft deutet und ordnet.
Aus dieser verborgenen Frage kann man sich als Religionslehrer nicht rausmogeln…und schon gar nicht als Schulpfarrer. Und daher versuche ich, möglichst ehrlich und authentisch den SuS zu antworten.
„Kinder..ich kann euch nicht vernünftig erklären, dass es Gott gibt und weshalb ich an ihn glaube. Ihr habt Recht: Vieles in der Welt spricht gegen seine Existenz: Das Elend, die Ungerechtigkeit, das Leid, der Tod. Naturkatastrophen und menschlich gemachte Katastrophen. Kriege, Hungernöte und was weiß ich.
Ihr habt Recht: Gott ist nicht beweisbar..und das ist schlecht in einer Welt, die allein auf Fakten basiert, wo These, Versuch und Beweis in einer unmittelbaren Wirkkette stehen.
Ihr habt Recht mit euren Einwänden, Zweifeln, Fragen.
Aber dann erzähle ich ihnen von meinem „Gefühl“ , von meinem ganz und gar irrationalen, persönlichen, naiven Gefühl des Geborgenseins, der Obhut, der väterlichen Fürsorge. Erzähle von diesem ganz und gar individuellen und nicht übertragbaren Gefühl, um das mich meine Frau Simone beneidet. Ich spreche davon, dass Gott für mich, wie es das Lied 321 aus dem Gesangbuch beschreibt, „ von Kindesbeinen an unzählig viel zu gut, bis hierher hat getan“ .
Ja, es ist kein Beweis, der wissenschaftlichen Ansprüchen genügt, es ist nur ein Gefühl: Nicht mehr aber auch nicht weniger. Es ist nur das Gefühl, getragen zu werden, auch wenn sich ringsum die Welt im Kreise dreht und aus den Fugen zu geraten droht.
Dann versuche ich dieses Gefühl zu verdeutlichen, teilbar, erfahrbar zu machen. Und sage:
„ Ihr kennt doch noch alle dieses Spiel, wo der Vater oder der Opa euch als Kind an einem Arm und einem Bein ergriff und sich mit euch im Kreise drehte. So schnell, dass ihr abhobt wie im Karussell. Es war fast wie ein Flug. Und schneller, immer schneller drehtet ihr euch. Und es sollte möglichst niemals aufhören.
Habt ihr je daran gedacht, dass euch der Vater einfach so loslässt…ihr in hohem Bogen durch die Luft segelt und auf die Erde knallt? Habt ihr jemals geargwöhnt, durch die Fliehkräfte könnte euch der Arm oder das Bein abreißen? Oder dass ihr durch die Kreiselbewegung irre werdet im Kopf?
Nein…blind vertrautet ihr dem Vater oder dem Opa, dass sie euch nicht loslassen. Blind setztet ihr darauf, dass man euch hält und der Flug ein gutes Ende nimmt. Und genau deshalb auch war es ein tolles, sicheres Gefühl.“
https://sz-magazin.sueddeutsche.de/kinder/engelchen-flieg-78258
So simpel, naiv, vertrauensselig ist also mein Glaube an Gott. Nicht wirklich viel - doch es reicht, um mich angesichts des rationalen Erklärungsmangels zu trösten. Ich stehe mit diesem Gefühl nicht alleine da: Schon immer scheinen Menschen Gott mit eben diesem Gefühl des Gehaltenwerdens in Verbindung gebracht zu haben.
Der Psalm den wir heute zu Anfang gelesen haben, erzählte davon, wenn es hieß „von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir. Diese Erkenntnis ist mir zu hoch..ich kann sie nicht begreifen“.
Und auch der Predigttext aus dem 5 Buch Mose, der uns heute am 6. Sonntag nach Trinitatis zur Aufgabe gestellt ist, erzählt genau davon. Dort steht geschrieben:
„Denn ihr seid ein Volk, das ausschließlich dem Herrn gehört. Der Herr, euer Gott, hat euch unter allen Völkern der Erde ausgewählt und zu seinem Eigentum gemacht.
Das tat er nicht etwa, weil ihr größer seid als die anderen Völker – ihr seid vielmehr das kleinste unter ihnen!
Nein, er tat es einzig deshalb, weil er euch liebte und das Versprechen halten wollte, das er euren Vorfahren gegeben hatte. Nur deshalb hat er euch herausgeholt aus dem Land, in dem ihr Sklaven wart; nur deshalb hat er euch mit seiner starken Hand aus der Gewalt des Pharaos befreit.
Er wollte euch zeigen, dass er allein der wahre Gott ist und dass er Wort hält. Er steht zu seinem Bund und erweist seine Liebe bis in die tausendste Generation an denen, die ihn lieben und seine Gebote befolgen.“
In Texten wie diesen ist jenes Gefühl - ist mein persönliches Gefühl - der Geborgenheit, des Getragenseins, des naiven Wohlseins begründet. Denn was sagt der Text über Gott und sein Kind namens Israel aus?
„Denn ihr seid ein Volk, das ausschließlich dem Herrn gehört. Der Herr, euer Gott, hat euch unter allen Völkern der Erde ausgewählt und zu seinem Eigentum gemacht.
Nicht weil ihr etwa größer seid…sondern weil er euch liebt!“
Getragen - geliebt - umsorgt - wohlbehütet. Nicht weil Israel größer als die anderen Völker ist, nicht weil es ökonomisch, politisch, rituell, kulturell die andern Völker überragt…sondern nur einfach um der Liebe und der Zusage Gottes willen. „All das tut Gott für euch, weil er euch liebt und ein Versprechen an eure Vorfahren gegeben hat. So zeigt er euch, dass er der wahre Gott ist und sein Versprechen hält.“
Auch ich glaube an Gott, weil ich fest davon überzeugt bin, dass er seine Zusagen, sein Versprechen nicht einfach zurückzieht….sondern dass er sich eben darin als Gott - ganz unmenschlich eben - zeigt, indem er seine Versprechen ungeachtet aller Umstände hält. Dieses Versprechen gab er mir im Frühjahr des Jahres 1962 in einer Kirche in Krefeld. Damals, bei meiner Taufe vor 58 Jahren, wurde mein Name und der Name Gottes in einem Atemzug benannt, als es hieß Du bist getauft im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes . Und siehe - ich bin bei dir alle Tage - bis ans Ende der Welt.
„Herr Herbertz, weshalb glauben Sie eigentlich an Gott?“
„Kinder - ich glaube an ihn, weil er mir versprochen hat, dass er mich trägt.
Als Kind schon - heute noch
und am Ende meines Lebens hoffentlich erst recht.“
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