Die Geschichte
Informationen zu der Geschichte der evangelischen Kirche in Kerpen aus "Kirchen in Kerpen" der Stadt Kerpen - Stadtarchiv, veröffentlicht zum Anlass der Ausstellung im Haus für Kunst und Geschichte vom 07.09. bis 15.11.2001 zum Tag des offenen Denkmals. Das Heftchen im A5 Format widmet sich natürlich allen Kirchen im Stadtgebiet Kerpen und kann sicher über das Stadtarchiv bezogen werden.
Die heute zu Kerpen gehörenden Stadtteile waren ursprünglich rein katholisch. Neben den katholischen gab es einige jüdische Gemeinden, Protestanten bildeten eher eine exotische Ausnahme. Dies begann sich zu ändern, als das Rheinland 1815 als Folge des Wiener Kongresses dem preußischen König zugesprochen wurde. Preußen war schon unter Kurfürst Johann Sigismund Anfang des 17. Jahrhunderts zum reformierten Glauben übergetreten und dementsprechend genauso traditionell protestantisch wie das Rheinland normalerweise katholisch. Die neue Verbindung versprach sprach von vornherein problematisch zu werden.
Friedrich Wilhelm III teilte sein vergößertes Reich in 10 Provinzen, diese in Regierungsbezirke, die wiederum aus Landkreisen bestanden. Die neugegründete preußische Bürgermeisterei Kerpen gehörte zum Landkreis Bergheim. Die jeweiligen Regierungen vor Ort ernannten die Verwaltungsleiter in Kreisen und Gemein- den. Natürlich benötigte der König zuverlässige und königstreue Beamte besonders in seiner westlichsten und urkatholischsten Provinz. Damit begann der erste, noch zögernd fließende protestantische "Zustrom" im Rheinland.
Nach diesem enormen Zuwachs gab es in Kerpen Mitte des 19. Jahrhunderts etwa 40 Protestanten. Die nächste evangelische Kirche in Frechen war zu weit entfernt, um dort regelmäßig den Gottesdienst zu besuchen Der Bau einer eigenen Kirche für die kleine Schar erschien jedoch völlig unrealistisch. Daher beantragten 1852 die evangelischen Kerpener, alle zwei Wochen im Gemeindehaus einen Gottesdienst abhalten zu dürfen.’ Der Antrag wurde am 03. April empört mit folgenden Worten abgelehnt: "... Die Kerpener Bürgerschaft ist katholisch, solange Kerpen existiert und hofft, dies auch zu bleiben. Treu hat Kerpen durch all Jahrhunderte bei seinem Glauben gestanden, und Gott sei Dank! Weil man noch von keinem Abtrünnigen. Weil die Kerpener Bürgerschaft katholisch ist, muß sie auch jedes andere sogenannte reformierte Christentum verwerfen und darf und wird deshalb auch keinem fremden Glauben noch seinem Gottesdienste irgendwelchen Vorschub leisten..." Der Vorsitzende des Gemeinderats, Schoengen, der den ablehnenden Beschluss nicht mittragen wollte, hatte den Vorsitz an seinen Stellvertreter Dominick abgegeben. Der seinerzeitige Kerpener Bürgermeister Alexander Wolff, ein gebürtiger Hesse, war übrigens auch evangelisch.
Dass der Kerpener Gemeinderat den Antrag so empört und mit Nachdruck zurückwies, verursachte im "evangelischen" Rheinland regelrecht einen Skandal, der Beschluss wurde an vielen Stellen zitiert und auch veröffentlicht. Man solidarisierte sich mit den armen, in der Diaspora lebenden Kerpenern: "Dieser Beschluss hat die dortige Kirche mit bauen helfen. Veröffentlicht und vielfach verbreitet hat er nicht wenig dazu beigetragen, die Teilnahme der Glaubensgenossen für Kerpen zu wecken".’ Auf Initiative des Kerpener Strumpffabrikanten J.J. Heick wurden beim Haupt- und einigen Zweigvereinen der Gustav-Adolf-Stiftung im ganzen Rheinland in kurzer Zeit so viele Spenden gesammelt, dass wider Erwarten 1853 mit dem Bau eines "kleinen Kirchleins" begonnen werden konnte.
Indessen hatte der vorgesehene Pfarrkandidat für Kerpen und Bergheim, Cornelius Schwabe, in beiden Orten begonnen, Gottesdienste zu veranstalten.’ Umgehend wurde der Landrat von diesem ungesetzlichen Handeln unterrichtet. Das zuständige Konsistorium wurde angewiesen, "die religiösen Versammlungen der Evangelischen" zu unterbinden. Das Konsistorium reagierte schnell, einem Rechtfertigungsschreiben folgte innerhalb von 14 Tagen die förmliche Einweisung von Schwabe in sein Amt: "die dortigen Evangelischen haben sich in der erforderlichen Weise behelligt Außerdem ist zu lesen: "Die Kapelle in Kerpen ist beinahe vollendet". Es wurden allerdings noch weitere Mittel benötigt. Begünstigt durch ein zusätzliches Gnadengeschenk von König Friedrich Wilhelm IV. über 1.000 Taler, das am 12.06.1854 bewilligt wurde, konnte die Kirche am 09. August 1854 eingeweiht werden. "So ward denn im Juli das Kirchlein vollendet und mit allem Nöthigen auch mit Orgel und Glocken, lieblich ausgestattet."’ Alles, was im evangelischen Rheinland Rang und Namen hatte, war zur Einweihung erschienen. Den feierlichen Zug führten der Generalsuperintendent und der Kerpener Bürgermeister Alexander Wolff, ein Protestant aus Hessen, an. Aus der Hand des Bürgermeisters empfing der Superintendent als ranghöchster Vertreter der evangelischen Landeskirche den Kirchenschlüssel und gab ihn an Cornelius Schwabe weiter, der am gleichen Tag in sein Amt eingeführt wurde. Der Neubau hatte 3000 Taler gekostet.
Die evangelische Gemeinde wuchs kaum. 1876 berichtete Pfarrvikar Coerper, dass in der evangelischen Schule nur 8 Kinder unter- richtet werden, von insgesamt 40 Protestanten besuchten 25-33 regelmäßig den Gottesdienst. Die einzigen, die die Zahl zeitweise erhöht hatten, waren wandernde Gesellen gewesen. Auch weitere 50 Jahre später hatte sich die Zahl de Protestanten bis 1926 nur um 10 auf insgesamt 50 erhöht, außerdem besuchten die Kirche einige Dutzend Evangelische aus Blatzheim.’ Ganz anders hingegen in Horrem und Brüggen. Infolge der dort wachsenden Braunkohlenindustrie waren zahlreiche Arbeitnehmer aus protestantischen Gebieten zugewandert. In den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts war dort der Bau eigener Kirchen erforderlich geworden.
1898 wurden das erste Mal Reparaturen für 1.249,96 Mark an der Kirche durchgeführt. Der Altarraum war neu verputzt und die Decke erneuert worden, das Dach war saniert worden, eine neue Dachrinne angebracht worden. Außerdem waren Schlosserarbeiten angefallen, für das Dach mußte Holz gekauft werden, die Bänke und Wände waren angestrichen worden.
1925 erstellte der Leiter des kirchlichen Bauamtes ein Gutachten über die bauliche Situation von Kirche und Küsterwohnung in Kerpen. Die vorgefundenen Mängel waren immens, der Gutachter bezweifelte, dass das Wohnhaus des Küsters noch reparabel war.
Die erforderlichen Maßnahmen zur Schadensbeseitigung an der Lackieren der Eingangsportals, Maßnahmen gegen aufsteigende" Feuchtigkeit an den Fundamenten, Komplettsanierung des "ganz verbrauchten" Dachs, Erneuerung des Innenputzes. Er erstellte zwei Kostenanschläge: Die Reparatur der Kirche sollte 8000,00 Mark, die des Küsterwohnhauses 4.800,00 Mark und die Instandsetzung von Stall und Abort weitere 2.300,00 Mark kosten. Der Alternativvorschlag beinhaltete den mit 6.500,00 Mark veranschlagten Neubau der Küsterwohnung. Der Gutachter beurteilt die Notwendigkeit der Arbeiten: "eine Erneuerung der Kirche wird notwendig, die Erneuerung des Küsterhauses ist eine Pflicht, die. nicht länger aufgeschoben werden darf."
Der Antrag der evangelischen Gemeinde, die erforderlichen Bauarbeiten durch die Landeskirche mit 12.000,00 Mark zu bezuschussen – ein Eigenanteil von 4.800,00 Mark soll über Anleihen finanziert werden, wird 1927 abgelehnt. Im gleichen Jahr wurden die notwendigsten Reparaturen durchgeführt. 1933 wurde nach dem Tod des alten Küsters die Renovierung des Küsterhauses beschlossen. Kirche und Küsterwohnhaus überstanden den Zweiten Weltkrieg wohl ohne größere Schäden. Erst in den 50er Jahren ist weitere Bautätigkeit nachgewiesen. 1965 wurde das alte, unmittelbar hinter der Kirche stehende Küsterhaus abgebrochen und durch das heute noch bestehenden Gemeindezentrum ersetzt. Wenig später erfolgte der Anbau der Sakristei.
Die freistehende und aus der Flucht des Filzengrabens zurückgesetzte Kirche ist - verglichen selbst mit den kleinsten katholischen Kirchen - in ihren Ausmaßen bescheiden und eher unauffällig. In dieser fast verschwindenden Dimensionierung geht der Kirchenbau in der benachbarten Wohnbebauung fast unter. Der einschiffige, giebelständige Backsteinbau ist 12 Meter lang und 8 Meter breit. Zwei Jochen schließt sich eine halbrunde Chorapsis an. Das verschieferte Dach wird von einem Dachreiter bekrönt. Der Saalbau ist mit Lisenen geschmückt und wird durch einen umlaufenden Rundbogenfries gegliedert. Die Langseiten werden durch je drei hochrechteckige Rundbogenfenster, Apsis und Giebel durch gegenüberliegende Rundfenster belichtet. An der Ostseite zum Filzengraben befindet sich eine bemalte Holztür mit Kassettierung, darüber ein Halkreisbogen mit Rosettensprossen, die sich in runden Giebelfenster wiederholen.
Das Kircheninnere ist schlicht. Im Chorscheitel findet sich die Kanzel. Die ostseitige Empore wurde ursprünglich von zwei Säulen getragen. Nach der letzten Renovierung wurde die Empore, auf der sich die Orgel befindet, erweitert und stützt sich auf einen Eisenträger. Bei den Renovierungen der letzten Jahrzehnte erhielt das Kircheninnere ein farbiges Aussehen und wurde in den Farben der Oranier, gold, blau und orange, gestaltet. Dabei blieben der noch aus der Erbauungszeit stammende Altar sowie die gleichaltrige Kanzel bestehen und wurden der neuen Farbigkeit angepasst. Außerdem wurden die schon bei der Einweihung vorhandenen, in Bochum gegossenen Stahlglocken in den Tönen a" und c’" gegen zwei neue Glocken des Glockengießers Petit und Edelbrock ausgetauscht, die ebenfalls schon 1854 vorhandene Orgel der Gebrüder Leichel aus Duisburg wurde erneuert.
Protokollbuch der Gemeinde Kerpen (1846-1864)
1852 beantragten die evangelischen Kerpener, alle zwei Wochen im Gemeindehaus einen Gottesdienst abhalten zu dürfen. Der Antrag wurde am 03. April empört mit folgenden Worten abgelehnt: "...Die Kerpener Bürgerschaft ist katholisch, solange Kerpen existiert und hofft, dies auch zu bleiben. Treu hat Kerpen durch all Jahrhunderte bei seinem Glauben gestanden, und Gott sei Dank! Weiß man noch von keinem Abtrünnigen. Weil die Kerpener Bürgerschaft katholisch ist, mu8 sie auch jedes andere sogenannte reformierte Christentum verwerfen, und darf und wird deshalb auch keinem fremden Glauben noch seinem Gottesdienste irgendwelchen Vorschub leisten..." Der Vorsitzende des Gemeinderats, Schoengen, der den ablehnenden Beschluss nicht mittragen wollte, hatte den Vorsitz an seinen Stellvertreter Dominick abgegeben. Der seinerzeitige Kerpener Bürgermeister Alexander Wolff, ein gebürtiger Hesse, war übrigens auch evangelisch.
(Stadtarchiv Kerpen, Gericht und Amtsbücher, AB 7)
Verhandlungsbuch der evang. Kirchengemeinde Horrem
Anfang der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts gab es in Kerpen nur noch 9 Familien, die "rein evangelisch" waren. Das Kerpener Presbyterium wandte sich am 15.September 1873 mit der Bitte an den Superintendenten in Bonn, weiterhin regelmäßige Gottesdienste in der Kirche zu realisieren.
(Archiv der ev. Kirchengemeinde Horrem, Transkription / I-linweis von Herrn B. Jacobi)
Glocken der evangelischen Kirche, 1854
Das 1854 eingeweihte "Kirchlein" war neben einer Orgel auch mit zwei in Bochum gegossenen Stahlglocken in den Tönen a" sind c’" ausgestattet. Die Glocken läuteten 130 Jahre, bevor sie 1984 gegen zwei neue Glocken ausgetauscht wurden. Der Glockenaustausch wurde durch Fotos entsprechend dokumentiert.
(Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Kerpen)
Sterbeurkunde von Johann Joseph Heick
Der Kerpener Gemeinderat bewirkte mit seinem umstrittenen Beschluss die Abhaltung des evanglischen Gottesdienst im Rathaus nicht zuzulassen, eine ungeheure Solidarisierung der Protestanten nicht nur in Kerpen, sondern darüber hinaus. Der Kerpener Strumpfwarenfabrikant Johann Josef Heick die Realisierung eines eigenen Kirchenbaus ganz besonders ein. Ohne seine effektive Spendensammlung wäre der Kirchbau in Kerpen nicht zu realisieren gewesen. Der in Frankfurt am Main geborene Heick starb am 01.03.1864 in Kerpen im Alter von 67 Jahren. In der Presbyteriums-Sitzung nach seinem Tod wurden seine Verdienste für die Gemeinde nochmals gewürdigt. Sein Sohn Johann Heinrich wurde zum Nachfolger gewählt.
(Stadtarchiv Kerpen, Sterberegister Kerpen, 1864)
Feier zum 100jährigen Jubiläum
Irregeleitet durch die außen an der Kirche sichtbare Jahreszahl "1853" feierten die evangelischen Kerpener am 20.09.1953 das 100jährige Bestehen ihrer Kirche. Zur Feier war die höchste evangelische Prominenz des Rheinlandes erschienen. Die Festpredigt hielt der, Präses der evangelischen Landeskirche im Rheinland. Die Nachfeier fand im Saal der Gaststätte Hackenbroich statt, heute "Alt Kerpen" an der Alten Landstraße
(Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Kerpen)
125 Jahre evangelische Kirche Kerpen
1978 wurde das 125jährige Jubiläum der Johanneskirche gefeiert. Nach dem Festgottesdienst fand in der Mensa des neuen Kerpener Gymnasiums ein gemeinsames Mittagessen und ein Festnachmittag statt. Für die musikalische Untermalung sorgte u.a. die heute noch bestehende und bekannte Maryland Jazzband.
(Stadtarchiv Kerpen, Zeitgeschichtliche SammIung)
Sakrale Gegenstände aus dem Besitz der Kirche.
Verglichen mit den kostbaren und aufwendig verzierten sakralen Gegenständen aus dem Besitz der katholischen Pfarrgemeinden wirken die alten Gerätschaften aus dem Eigentum der evangelischen Kirchengemeinde sehr bescheiden. Die Gegenstände stammen zum Teil noch aus der Erbauungszeit der Kirche, also der Mitte des 19. Jahrhunderts Die aus einer versilberten Metalllegierung bestehende Abendmahlkanne mit dazugehöriger Hostiendose und Kelch sind die ältesten Gegenstände, die weiteren stammen wohl aus dem 20. Jahrhundert. Ganz neu sind die kleinen Abendmahlbecher, die der Forderung nach mehr Trinkhygiene beim Abendmahl Rechnung tragen.
(Evangelische Kirchengemeinde Kerpen)
Methoden und Techniken der Bauaufnahme
1981 beschäftigte sich ein Kunst-Leistungskurs des Kerpener Gymnasiums unter Leitung von Gerd Ressel mit der Architektur der Johanneskirche. Ein halbes Jahr waren 10 Schülerinnen und Schüler damit beschäftigt, die Kirche in ihren baulichen Einzelheiten zu vermessen und die Ergebnisse zeichnerisch darzustellen. Dabei wurde der Rundbogenfries der Außenfassade genauso erfasst wie die Profile der Chorbänke, die Balustrade der Empore, die einzelnen Fenster sowie die Außenansichten exakt erfasst.
(Stadtarchiv Kerpen, Bibliothek)
Errichtung des Gemeindezentrums Kerpen
Die alte, unmittelbar an die Kirche angebaute Küsterwohnung wurde 1965 zugunsten eines modernen Gemeindezentrums im Hof der Kirche abgerissen. Drei Jahre später wurde die Sakristei an die Kirche angebaut.
(Stadt Kerpen Amt 34.3 Bauordnung)
Anmerkungen
Stadtarchiv Kerpen, Amt Kerpen, Ratsprotokolle, Nr. Karl Zimmermann, Die Bauten des Gustav-Adolf-Vereins in Bild und Geschichte Bd. 1, Darmstadt 1860. ’ Archiv der evang. Landeskirche im Rheinland, Qrt"akten, Kerpen 5, 1853-1877. ’ Archiv der ev. Kirchengemeinde Horrem, Protokollbuch. Archiv der evang. Landeskirche im Rheinland, Ortsakten, Horrem 14, Bd. 1.
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