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Gedanken zum Alltag
Geht es Ihnen auch so? Seitdem die Coronakrise Fahrt aufgenommen hat, habe ich oft das Gefühl, ich schwimme durch den Tag.
Die meiste Arbeit geschieht am Laptop, dazwischen Diskussionen mit meinem Mann und allernächsten Kollegen, was jetzt als Nächstes zu tun ist; Telefongespräche, erste Versuche mit Videokonferenzen – teils klappt es super, teils könnte man es live als Comedy mitschneiden – dann abends eine Sondersendung, natürlich sitzt ein Virologe in der Talkrunde und alle halten den Mindestabstand ein. Dann: schwupp! ist schon wieder ein Tag rum. Ein Tag mit Corona, nein, stimmt ja nicht: In meiner Familie ist keine*r infiziert. Oder wissen wir es nur nicht? Ach ja, das hatte ich ganz vergessen: der Alltag der Familie läuft ja immer nebenher. Weil die studierende Tochter zwischengelandet ist, sind auch wir jetzt wieder zu fünft im Haus, Hund und Katze nicht mitgerechnet.
Es kommt eine Menge ins Schwimmen, ins Trudeln, vielleicht auch ins Rutschen? Die Bilder von den vielen Coronatoten in Italien machen betroffen und zeigen, dass die aktuellen Maßnahmen kein schlechter Scherz sind. Man denkt an die alten Eltern, an nahestehende Menschen, Gemeindemitglieder, die zu einer Risikogruppe zählen. Daneben die düsteren Prognosen für viele Bereiche der Wirtschaft, insbesondere für die kleinen Unternehmen. Wird das geplante Rettungspaket ausreichen? Viele Fragen, auf die es noch keine Antwort gibt.
Das müssen wir jetzt alle aushalten. Ob wir das schaffen: Mit diesen Ungewissheiten zu leben, viele mit der Familie auf engerem Raum als sonst? Andere alleine und einsamer als sonst? Ob wir übellaunig werden oder depressiv, oder aber auftretende Missstimmungen mit Klugheit und Humor überwinden; ob wir uns ablenken oder der unfreiwilligen Häuslichkeit und Ruhe etwas Gutes abgewinnen werden? Es ist eine echte Aufgabe! Für jeden!
Ich habe mich heute Morgen auf meinen „Fastenwegweiser“ besonnen. Mit dem wollte ich doch eigentlich durch die Zeit bis Ostern gehen. Völlig vergessen liegt das Büchlein im Regal. Als ich ihn aufschlage, finde ich die heutige Seite nicht auf Anhieb, lande stattdessen woanders und lese: „Mut ist…“ , dazu mehrere mögliche Ergänzungen. Eine davon springt mich sofort an: „… wieder aufstehen.“ Ich bin ertappt: Aufstehen fällt mir gerade schwer, so ohne feste Termine! Gut, dass ich es heute gut geschafft habe, dass ich jetzt im hellen Morgen sitze und dies lese!
„Mut ist, dich zu entscheiden“ ist ein anderer toller Satz. Ich habe Momente von gestern vor Augen:
Eine Szene im Drogeriemarkt, Mutter und Tochter vor dem Stapel mit Toilettenpapier, denn – oh großes Wunder – da liegen noch einige Pakete! „Nur eins pro Person!“ verkündet der Zettel darüber. Sie nehmen zwei mit. Doch nach wenigen Schritten bleiben sie stehen und besprechen sich. Die Tochter kehrt um und legt ein Paket zurück. Vor dem Markt eine Warteschlange von 10 Leuten. Darunter einer mehr, der sich gefreut hat!
An der Supermarktkasse kurze Zeit später: Der Mann, der vor mir zahlt, stellt drei Pakete Wasser aufs Band. „Eins zu viel“ sagt die Kassiererin freundlich und er entschuldigt sich. sofort „Hab nicht gelesen, tut mir leid.“ Man hört, dass er nicht aus Deutschland stammt. Da kommt ein dritter Kunde vom Ausgang zurück: „Super! Wasser, das hatte ich vergessen. Das nehme ich.“ Alle lachen und er meint: „Da soll noch einer sagen, wir halten nicht zusammen!“
Es sind nur Kleinigkeiten, stimmt - und Nettsein löst nicht alle Probleme. Aber unter dem Nettsein ist etwas ganz Tiefes und Gutes. Und das Schöne an Kleinigkeiten ist: Die kann ich. Die kann jede und jeder! Sie kosten nicht viel Mut, aber sie machen Mut.
Ich wünsche Ihnen Mut in dieser Zeit. Mut, eins weniger zu nehmen und die Erfahrung: Wir halten zusammen. Beim abendlichen Gebetsläuten um 19.30 Uhr kann man genau das für zehn Minuten ausdrücken und dabei Mut schöpfen.
Mut kommt aus Einsicht in das, was gut und richtig ist. Bitten wir um diese Einsicht, wie es uns eine Stimme aus dem neuen Testament der Bibel vormacht: In den Losungen steht heute:
„Die Liebe, die Gott in Euch geweckt hat, ist auch der Grund, weshalb wir für euch beten. Seit dem Tag, an dem wir davon erfahren haben, bitten wir unablässig: Gott gebe euch die uneingeschränkte Erkenntnis seines Willens – durch alle Weisheit und Einsicht, wie der Heilige Geist sie schenkt.“
(Kolosser 1. Vers 9, hier ergänzt durch Vers 8b und in der Fassung der BasisBibel)
- März 2020 - Pfarrerin Almuth Koch-Torjuul
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