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Unsere Johanneskirche in Kerpen (Dat Klümpche)
Die heute zu Kerpen gehörenden Stadtteile waren ursprünglich rein katholisch. Neben den katholischen gab es einige jüdische Gemeinden, Protestanten bildeten eher eine exotische Ausnahme. Dies begann sich zu ändern, als das Rheinland 1815 als Folge des Wiener Kongresses dem preußischen König zugesprochen wurde. Preußen war schon unter Kurfürst Johann Sigismund Anfang des 17. Jahrhunderts zum reformierten Glauben übergetreten und dementsprechend genauso traditionell protestantisch wie das Rheinland normalerweise katholisch. Die neue Verbindung versprach von vornherein problematisch zu werden.
Friedrich Wilhelm IV. teilte sein vergrößertes Reich in 10 Provinzen, diese in Regierungsbezirke, die wiederum aus Landkreisen bestanden. Die neugegründete preußische Bürgermeisterei Kerpen gehörte zum Landkreis Bergheim. Die jeweiligen Regierungen vor Ort ernannten die Verwaltungsleiter in Kreisen und Gemeinden. Natürlich benötigte der König zuverlässige und königstreue Beamte besonders in seiner westlichsten und urkatholischsten Provinz. Damit begann der erste, noch zögernd fließende protestantische "Zustrom" im Rheinland.
Nach diesem enormen Zuwachs gab es in Kerpen Mitte des 19. Jahrhunderts etwa 40 Protestanten. Die nächste evangelische Kirche in Frechen war zu weit entfernt, um dort regelmäßig den Gottesdienst zu besuchen. Der Bau einer eigenen Kirche für die kleine Schar erschien jedoch völlig unrealistisch. Daher beantragten 1852 die evangelischen Kerpener, alle zwei Wochen im Gemeindehaus einen Gottesdienst abhalten zu dürfen. Der Antrag wurde am 03. April empört mit folgenden Worten abgelehnt: "... Die Kerpener Bürgerschaft ist katholisch, solange Kerpen existiert und hofft, dies auch zu bleiben. Treu hat Kerpen durch alle Jahrhunderte bei seinem Glauben gestanden, und Gott sei Dank! Weiß man noch von keinem Abtrünnigen. Weil die Kerpener Bürgerschaft katholisch ist, muß sie auch jedes andere sogenannte reformierte Christentum verwerfen, und darf und wird desßhalb auch keinem fremden Glauben noch seinem Gottesdienste irgendwelchen Vorschub leisten..." Der Vorsitzende des Gemeinderats, Schoengen, der den ablehnenden Beschluß nicht mittragen wollte, hatte den Vorsitz an seinen Stellvertreter Dominick abgegeben. Der seinerzeitige Kerpener Bürgermeister Alexander Wolff, ein gebürtiger Hesse, war übrigens auch evangelisch.
Daß der Kerpener Gemeinderat den Antrag so empört und mit Nachdruck zurückwies, verursachte im "evangelischen" Rheinland regelrecht einen Skandal, der Beschluss wurde an vielen Stellen zitiert und auch veröffentlicht. Man solidarisierte sich mit den armen, in der Diaspora lebenden Kerpenern: "Dieser Beschluss hat die dortige Kirche mit bauen helfen. Veröffentlicht und vielfach verbreitet hat er nicht wenig dazu beigetragen, die Theilnahme der Glaubensgenossen für Kerpen zu wecken". Auf Initiative des Kerpener Strumpffabrikanten J.J. Heick wurden beim Haupt- und einigen Zweigvereinen der Gustav-Adolf-Stiftung im ganzen Rheinland in kurzer Zeit so viele Spenden gesammelt, dass wider Erwarten 1853 mit dem Bau eines "kleinen Kirchleins" begonnen werden konnte.
Indessen hatte der vorgesehene Pfarrkandidat für Kerpen und Bergheim, Cornelius Schwabe, in beiden Orten begonnen, Gottesdienste zu veranstalten. Umgehend wurde der Landrat von diesem ungesetzlichen Handeln unterrichtet. Das zuständige Konsistorium wurde angewiesen, "die religiösen Versammlungen der Evangelischen" zu unterbinden. Das Konsistorium reagierte schnell, einem Rechtfertigungsschreiben folgte innerhalb von 14 Tagen die förmliche Einweisung von Schwabe in sein Amt: "die dortigen Evangelischen haben sich in der erforderlichen Weise betheiligt...". Außerdem ist zu lesen: "Die Kapelle in Kerpen ist beinahe vollendet". Es wurden allerdings noch weitere Mittel benötigt. Begünstigt durch ein zusätzliches Gnadengeschenk von König Friedrich Wilhelm IV. über 1.000 Taler, das am 12.06.1854 bewilligt wurde, konnte die Kirche am 09. August 1854 eingeweiht werden. "So ward denn im Juli das Kirchlein vollendet und mit allem Nöthigen, auch mit Orgel und Glocken, lieblich ausgestattet." Alles, was im evangelischen Rheinland Rang und Namen hatte, war zur Einweihung erschienen. Den feierlichen Zug führten der Generalsuperintendent und der Kerpener Bürgermeister Alexander Wolff, ein Protestant aus Hessen, an. Aus der Hand des Bürgermeisters empfing der Superintendent als ranghöchster Vertreter der evangelischen Landeskirche den Kirchenschlüssel und gab ihn an Cornelius Schwabe weiter, der am gleichen Tag in sein Amt eingeführt wurde. Der Neubau hatte 3000 Taler gekostet.
Die evangelische Gemeinde wuchs kaum. 1876 berichtete Pfarrvikar Coerper, dass in der evangelischen Schule nur 8 Kinder unterrichtet werden, von insgesamt 40 Protestanten besuchten 25-33 regelmäßig den Gottesdienst. Die einzigen, die die Zahl zeitweise erhöht hatten, waren wandernde Gesellen gewesen. Auch weitere 50 Jahre später hatte sich die Zahl der Protestanten bis 1926 nur um 10 auf insgesamt 50 erhöht, außerdem besuchten die Kirche einige Dutzend Evangelische aus Blatzheim. Ganz anders hingegen in Horrem und Brüggen. Infolge der dort wachsenden Braunkohlenindustrie waren zahlreiche Arbeitnehmer aus protestantischen Gebieten zugewandert. In den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts war dort der Bau eigener Kirchen erforderlich geworden.
1898 wurden das erste Mal Reparaturen für 1.249,96 Mark an der Kirche durchgeführt. Der Altarraum war neu verputzt und die Decke erneuert worden, das Dach war saniert worden, eine neue Dachrinne angebracht worden. Außerdem waren Schlosserarbeiten angefallen, für das Dach musste Holz gekauft werden, die Bänke und Wände waren angestrichen worden.
1925 erstellte der Leiter des kirchlichen Bauamtes Gutachten über die bauliche Situation von Kirche und Küsterwohnung in Kerpen. Die vorgefundenen Mängel waren immens, der Gutachter bezweifelte, dass das Wohnhaus des Küsters noch reparabel war. Die erforderlichen Maßnahmen zur Schadenbeseitigung an der Kirche beschrieb er folgendermaßen: Verfugen der Backsteinfront, Lackieren des Eingangsportals, Maßnahmen gegen aufsteigende Feuchtigkeit an den Fundamenten, Komplettsanierung des "ganz verbrauchten" Dachs, Erneuerung des Innenputzes. Er erstellte zwei Kostenanschläge: Die Reparatur der Kirche sollte 8000,00 Mark, die des Küsterwohnhauses 4.800,00 Mark und die Instandsetzung von Stall und Abort weitere 2.300,00 Mark kosten. Der Alternativvorschlag beinhaltetet den mit 6.500,00 Mark veranschlagten Neubau der Küsterwohnung. Der Gutachter beurteilte die Notwendigkeiten der Arbeiten: "eine Erneuerung der Kirche wird notwendig, die Erneuerung des Küsterhauses ist eine Pflicht, die nicht länger aufgeschoben werden darf."
Der Antrag der evangelischen Gemeinde, die erforderlichen Bauarbeiten durch die Landes-kirche mit 12.000,00 Mark zu bezuschussen – ein Eigenanteil von 4.800,00 Mark soll über Anleihen finanziert werden, wird 1927 abgelehnt. Im gleichen Jahr wurden die notwendigsten Reparaturen durchgeführt. 1933 wurde nach dem Tod des alten Küsters die Renovierung des Küsterhauses beschlossen. Kirche und Küsterwohnhaus überstanden den Zweiten Weltkrieg wohl ohne größere Schäden. Erst in den 50er Jahren ist weitere Bautätigkeit nachgewiesen. 1965 wurde das alte, unmittelbar hinter der Kirche stehende Küsterhaus abgebrochen und durch das heute noch bestehende Gemeindezentrum ersetzt. Wenig später erfolgte der Anbau der Sakristei.
Die freistehende und aus der Flucht des Filzengrabens zurückgesetzte Kirche ist – verglichen mir den kleinsten katholischen Kirchen in ihren Ausmaßen bescheiden und eher unauffällig. In dieser fast verschwindenden Dimensionierung geht der Kirchenbau in der benachbarten Wohnbebauung fast unter. Der einschiffige, giebelständige Backsteinbau ist 12 Meter lang und 8 Meter breit. Zwei Jochen schließt sich eine halbrunde Chorapsis an. Das verschieferte Dach wird von einem Dachreiter bekrönt. Der Saalbau ist mit Lisensen geschmückt und wird durch einen umlaufenden Rundbogenfries gegliedert. Die Langseiten werden durch je drei hochrechteckige Rundbogenfenster, Apsis und Giebel durch gegenüberliegende Rundfenster belichtet. An der Ostseite zum Filzengraben befindet sich eine bemalte Holztür mit Kassettierung, darüber ein Halbkreisbogen mit Rosettensprossen, die sich im runden Giebelfenster wiederholen.
Das Kircheninnere ist schlicht. Im Chorscheitel findet sich die Kanzel. Die westseitige Empore wurde ursprünglich von zwei Säulen getragen. Nach der letzten Renovierung wurde die Empore, auf der sich die Orgel befindet, erweitert und stützt sich auf einen Eisenträger. Bei den Renovierungen der letzten Jahrzehnte erhielt das Kircheninnere ein farbiges Aussehen und wurde in den Farben der Oranier, gold, blau und orange, gestaltet. Dabei blieben der noch aus der Erbauerzeit stammende Altar sowie die gleichartige Kanzel bestehen und wurden der neuen Farbigkeit angepasst.
Außerdem wurden die schon bei er Erweiterung vorhandene in Bochum gegossenen Stahlglocken in den Tönen a'' und c''' gegen zwei Glocken des Glockengießers Petit und Edelbrock ausgetauscht, die ebenfalls schon 1854 vorhandene Orgel der Gebrüder Leichel aus Duisburg wurde erneuert.
Aus: Kirchen in Kerpen,
bearbeitet von Susanne Harke-Schmidt. Stadtarchiv Kerpen: 2001
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