Denk mal! Im November 2004...

Gedanken

Es gibt nichts, was uns die Anwesenheit eines lieben Menschen ersetzen kann,
und man soll das auch gar nicht versuchen;
man muss es einfach aushalten und durchhalten;
das klingt zunächst sehr hart, aber es ist doch zugleich ein großer Trost;


denn indem die Lücke wirklich unausgefüllt bleibt,
bleibt man durch sie miteinander verbunden.
Es ist verkehrt wenn man sagt, Gott füllt die Lücke aus;
er füllt sie gar nicht aus, sondern er hält sie vielmehr gerade unausgefüllt und hilft uns dadurch, unsere echte Gemeinschaft miteinander –
wenn auch unter Schmerzen – zu bewahren.
Ferner: Je schöner und voller die Erinnerung, desto schwerer die Trennung. Aber die Dankbarkeit verwandelt die Qual der Erinnerung in stille Freude.
Man trägt das vergangenen Schöne nicht wie einen Stachel,
sondern wie ein kostbares Geschenk in sich.
Man muss sich hüten, in den Erinnerungen zu wühlen, sich ihnen auszuliefern,
wie man ein kostbares Geschenk nicht immerfort betrachtet,
sondern nur zu besonderen Stunden und es sonst nur wie einen verborgenen Schatz,
dessen man sich gewiss ist, besitzt;
dann geht eine dauernde Freude und Kraft von dem Vergangenen aus.

Dietrich Bonhoeffer am Heiligabend 1943 an Renate und Eberhard Bethge,
in: DBW 8, S. 255 f.