Denk mal! Im März 2005...

Liebe Gemeinde,

zu den schönsten Mittelmeerinseln gehört Santorini. Doch es ist eine zerbrechliche Schönheit. Die Insel ist der Rest eines an seiner Innenseite über 350 m hohen Kraterrandes aus schwarzen, weißen und rotbraunen Gesteinsmassen. An ihm kleben, zum Teil wie Schwalbennester, die hellen Kykladenhäuser.

Als der Vulkan im 2. Jahrtausend vor Christus ausbrach, erzeugte er eine hohe Flutwelle, die mit einem Mal die gesamte minoische Kultur Kretas verschlang. (1883 gab es in der Neuzeit durch den Ausbruch des Krakatau zwischen Java und Sumatra eine ähnliche Katastrophe).

In der Antike sind Sintflutsagen zahlreich und weitverbreitet. Oftmals haben die Alten noch die Flut als Strafe für menschliches Fehlverhalten gedeutet. Entsprechend bleibt Noah in der biblischen Erzählung darum verschont und allein übrig mit dem Inhalt seiner Arche, weil er "ein frommer Mann" war und "ohne Tadel", von Gott eben als "gerecht" befunden wurde. Doch ist  bereits in dieser Geschichte durch die Zusage Gottes: "Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen" (1. Mose 8,21) zu guter Letzt alles Vergeltungs-denken für immer durchbrochen. Der Erde wird Bestandsschutz garantiert unabhängig davon, wie der Mensch sich verhält, denn das Trachten seines Herzens ist sowieso immer dasselbe, nämlich "böse von Jugend auf". Man könnte auch sagen, der Gott der Bibel verweigert sich dem Gedanken, in Katastrophen ein Erziehungsmittel zur Besserung der Menschen sehen zu wollen. Ein natürliches Übel ist darum nicht Folge eines moralischen Übels, wohl aber kann ein natürliches Übel leicht moralische Missstände nach sich ziehen.

Auf dieser Argumentationslinie liegt auch Jesus mit der einfachen Feststellung: "Denn Gott lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte." (Mt 5,45b), also völlig unabhängig vom Tun der Menschen. Ja, wenn es danach ginge, müsste der Turm in Siloah, der einstürzend achtzehn Menschen unter sich begrub, die ganze Menschheit erschlagen haben (vgl.Lk 13,4). Darum verbietet es sich für Jesus bei einem harten Menschenschicksal wie dem des Blindgeborenen nach Ursache und Schuld bei ihm selbst zu fragen, vielmehr "sollen die Werke Gottes an ihm offenbar werden" (Joh 9,3) und d.h. Dir, lieber Mitmensch, ist nun dieser Mensch in seiner Not vor die Füße gelegt und was hilft ihm anderes als dass Du ihm hilfst.

In diesem Sinn haben viele spontan und ihrem Herzen folgend nach der Südostasien heimsuchenden Todesflut gespendet, so viel wie noch nie zuvor und so sehr, dass es immer wieder lobend erwähnt werden muss.

Aber hoffentlich ist es nicht nur das schnelle Geld, mit dem schnell wieder aufgebaut wird, um schnell vergessen zu können, damit also schnell wieder ist, als wäre nichts gewesen und das Paradies wieder paradiesisch erscheint wie zuvor. Damit es sich rechnet, müsste es noch größere Touristenmassen anziehen, noch billiger werden, noch leichter erkauft werden können, mit anderen Worten verramscht werden. Hier ist zu bedenken, dass es ohnehin nicht so sehr eine Katastrophe der ausländischen Hotelketten war, als viel mehr die der kleinen einheimischen Leute, die außer der eigenen Haut jetzt gar kein anderes Fell mehr haben, das sie noch zu Markte tragen könnten.

Warum hat Gott das zugelassen, warum lässt Gott das zu, dass - warum auch immer - die Erde für Menschen und erst recht für die Ärmsten der Armen kein Paradies, keine Heimat sein kann, dass sie  unbehaust macht und schließlich jeden und jede verschlingt? In dieser Frage schwingt auch die Frage nach des Schöpfers Allmacht und Gerechtigkeit mit und wie sich die Preisgabe seiner Menschen an so viel Leid mit seiner Liebe verträgt. Ich denke, wer menschlich empfindet, der kann hier nur hadern und klagen, hadern mit IHM, mit wem sonst? – Denn das Nichts ist nicht ansprechbar.

An dieser Stelle aber möchte helfen, sich nicht allein, sondern in Gemeinschaft mit Menschen der Bibel und aller Zeiten zu befinden, die immer schon mit den dunklen Seiten Gottes konfrontiert wurden, damit ihre Last gehabt und mit ihnen gerungen haben. Vor allem denke ich an Hiob, den unschuldig hartes Leid trifft und der in schwerster Prüfung dennoch auf Gott beharrt und auf ihm besteht. Hiob versteht Gott nicht, er muss bekennen, dass ER einfach zu groß ist für ihn, unbegreiflich groß und darum zu groß, als dass er mit IHM rechten könnte. Er beugt sich endlich und bescheidet sich – und da spricht Gott ihn frei und segnet ihn.