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Denk mal! Im Juni 2019...
Ob Gott auch keine Touristen mag?
In meiner Wohngemeinschaft zur Studentenzeit in Hamburg stand ein buntes Sammelsurium von Bechern im Küchenschrank. An ein Exemplar erinnere ich mich noch heute. Es trug die Aufschrift: „I am not a tourist. I live here!”. Der Satz löste immer wieder Reaktionen aus. Ein Gast aus England distanzierte sich sogleich. In bestem Englisch sagte er: „Ich ziehe es ohnehin vor, mich Reisender nennen.“
„Ich bin kein Tourist. Ich lebe hier!“ Anscheinend eine wichtige Unterscheidung. Schließlich geht es um diese Horden von Menschen mit Kameras und Reiseführern, die Venedig kaputt machen, sich vor Museumseingängen zu nicht enden wollenden Warteschlangen stauen, Selfies mit dem Kölner Dom machen und mühsam radebrechend nach dem Weg zur nächsten Toilette fragen, weil ihre App zu diesem Thema versagt.
Tourist sein ist uncool. Keiner will es sein. Dann doch lieber Reisender. Die Sache hat bloß einen Haken: In dem Augenblick, wo man sich nicht aus beruflichen Gründen oder zur Verwandtschaft, sondern einfach nur aus Reiselust und Neugier an einen anderen Ort bewegt, hat es einen erwischt: Man ist Tourist.
Für mich ist dies ein gutes Beispiel für Wertungen, die wir machen, die aber nicht weit tragen: Einheimischer – Fremder. Reisende – Touristin. Cool – doof. Was bringt das?
Jeder ist doch mal unterwegs. Und jede ist mal auf Gastfreundschaft, auf Entgegenkommen und Hilfsbereitschaft angewiesen. Das zum Beispiel kann man sehr gut beim Reisen lernen. Spontane Hilfsbereit-schaft bei einer Panne, herzliche Aufnahme. Genau diese Erlebnisse sind es, die man nach einem Urlaub wahrscheinlich am längsten in Erinnerung behält und immer wieder erzählt: „Weißt Du noch, der Bauer, der uns damals mit dem Traktor aus dem Graben gezogen hat?“
Und das Hotel in der Bretagne, wo wir abends verzweifelt mit einem Haufen müder Kinder standen. „Gaben die uns einfach ihre Luxussuite für‘n Appel und ‘n Ei.“!“ Unvergesslich!
Dass einen andere nicht bloß als lästige Plage angesehen haben. Dass sie einen als Fremden nicht abgezockt haben, … wie gut war das! Nähme man diese Einsicht dann doch nur mit nach Hause!
Dass heute so viele verreisen können, dass man von einem Massentourismus spricht, ist auch ein Ausdruck größerer sozialer Gleichheit. In biblischer Zeit kannte man das nicht. Allenfalls begab sich der Pharao zu seiner Sommerresidenz. Ansonsten ergab sich Reisen aus dem Handel oder aus Notlagen wie Hungersnot und Krieg.
Trotzdem erzählt die Bibel von Reisenden: Von Abraham und Sara, die ins unbekannte, verheißene Land aufbrechen; von der Moabiterin Ruth, die aus reiner Anhänglichkeit mit ihrer Schwiegermutter, der Israelitin Noomi, zieht; von dem Finanzminister, der wegen des Passahfestes aus Äthiopien nach Jerusalem kommt und den ein Jünger Jesu taufen wird. Bei allen diesen biblischen Gestalten habe ich den Eindruck, dass Gott die Reisenden mag. Ihr Aufbruch ist für ihn Zeichen ihres Vertrauens. Seine Gebote weisen auf ihre Schutzbedürftigkeit hin. Er hat kein abfälliges Wort über sie.
Und auch in der Bibel gibt es einen, der ganz spontan hilft: Der barmherzige Samariter! Ohne sein Zupacken wäre der ausgeraubte Kaufmann ganz verloren gewesen. Er kümmert sich um ihn wie um einen Freund.
Das Ziel, dass aus Fremden Freunde werden, ist übrigens ja auch Anliegen vieler Austauschprogramme unter jungen Leuten. Besonders verfeindete Völker sollen sich begegnen und näher kommen. Und es ist ein großes Anliegen, das Jesus hatte.
Im Gesangbuch finde ich den Liedvers: „Damit aus Fremden Freunde werden, kommst Du als Mensch in unsere Zeit: Du gehst den Weg durch Leid und Armut, damit die Botschaft uns erreicht.“ (eg 674).
Gemeint ist hier Gott selbst. Auf seinem Weg in Jesus zu uns ist er selbst ein Reisender geworden. Es ist ein Besuch aus Liebe und Interesse. Und – das Leben Jesu zeigt es uns: Um uns nahe zu sein, nimmt er schlimme Entbehrungen in Kauf. Doch die beglückenden Erfahrungen überwiegen: Nähe und Heilung, neue Freundschaft und hoffnungsvolle Gemeinschaft. Auch die Freude über die Schöpfung kannte Jesus, warum sonst sollte er Gott für die Lilien auf dem Feld und die Vögel unter dem Himmel loben?
Was werden Sie in diesem Sommer machen, liebe Leserin, lieber Leser? Wird die Sehnsucht nach dem Anderswo sie packen und losfahren lassen? Oder werden sie hierbleiben?
Natürlich wünsche ich Ihnen das Erlebnis des Reisens - und sei es nur der Ausflug in die nahe Umgebung. Auch da gibt es noch Reizvolles zu entdecken und Wiedersehen kann auch sehr schön sein. Wer aber zuhause festgebunden ist, der kann im Kopf reisen, in Alben blättern oder einen dieser tollen Filme anschauen, die uns in ferne Länder mitnehmen.
Ganz egal, wie Sie reisen, ob es Sie in die Ferne führt oder ob Sie nur einen Kurztrip machen, denken Sie daran, dass Gott die Reisenden mag. Auf Ihrer Reise segne er Sie mit offenen Augen und mit einem vertrauensvollen Schritt. Er segne Sie mit guten Begegnungen, vielleicht sogar neuer Freundschaft. Er begleite Sie auf allen Ihren Wegen und führe Sie sicher wieder heim!
Dies wünscht Ihnen Ihre Pfarrerin Almuth Koch-Torjuul
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