Denk mal! Im Juni 2020...

Der Engel Gottes rührte Elia an und sprach: Steh auf und iss, denn du hast einen weiten Weg vor dir.   1. Könige 19,7

Liebe Leserin, lieber Leser,

wann kommt endlich wieder das normale Leben?

Nichts Großes. Keine Kreuzfahrten und Popkonzerte. Ich meine das Kleine, das Alltägliche, was vor Corona so selbstverständlich war: Der Händedruck zur Begrüßung; der Sonntagsbesuch bei der Schwiegermutter; im Garten mit Kindern und Nachbarn grillen, wo das sommerlich schöne Wetter doch geradezu danach ruft.

Und als Gemeinde: In der Kirche und in den Gruppen zusammen-kommen, Brot und Wein teilen, Taufen, Konfirmationen, Hochzeiten feiern, Besuche machen. Sich als neues Presbyterium kennenlernen und wirklich gemeinsam starten.

Wie lange noch müssen wir auf Begegnung und Zusammensein verzichten? Mich bedrängt diese Frage nach langen Corona-Wochen schon ziemlich. Und bestimmt bin ich nicht die Einzige. Während ich dies schreibe, denken Politik und Gesellschaft intensiv über ein Ende des „Lockdown“ nach.          

Deutlich wird mir bei allem, was ich höre: Wir werden nicht schnell zur alten Normalität zurückkehren. Die hohe und wenig geübte Tugend der Geduld ist jetzt gefragt. Geduld bedeutet, die Spannung zwischen dem, was man sich wünscht und dem, was klug ist, zu ertragen. Es wäre aber falsch, Geduld mit Ergebung oder Trägheit zu verwechseln. Ein schöner und zutreffender Name für Geduld ist einen ‚langen Atem‘ haben.

Man braucht den langen Atem für einen Weg, dessen Länge nicht abschätzbar ist. Das Erste Testament der Bibel erzählt von dem Propheten Elia, der sich in der Not ganz aufgeben will.
Als Monatsspruch für Juli ist der Moment ausgewählt, in dem er Hilfe bekommt: „Der Engel Gottes rührte Elia an und sprach: Steh auf und iss, denn du hast einen weiten Weg vor dir.“  (1. Könige 19,7)

Liebe Gemeinde, es ist auch jetzt wahr: Der Weg ist noch weit. Und nur um die alte Normalität zu trauern, hat keinen Sinn. Aber aufstehen hat Sinn; sich auf den Glauben zu besinnen, der die Seele nährt, hat Sinn. Weiter Schritt für Schritt ausprobieren, was trotz Corona geht, dabei erfinderisch zu werden, hat Sinn.

Doch die Geduld braucht gute Wegzehrung. Dem Elia hatte der Engel ein geröstetes Brot und einen Krug Wasser hingestellt. Wie wird Gott für uns sorgen?

Für mich sind manche Worte der Bibel so etwas wie Brotworte. Jesus selbst soll, als er in der Wüste war, gesagt haben: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus dem Munde Gottes geht.“ (Mt 4,4). 

Das bevorstehende Pfingstfest erinnert daran, dass Gottes Wort in aller Munde ist. Welches Wort ist in Ihrem Mund? Vielleicht ist es nur ein Satz, der Ihnen in dieser Zeit etwas gibt. Er bleibt nach dem Radio-gottesdienst im Ohr. Er überrascht sie in einer der Videoandachten auf der Gemeindehomepage. Oder sie finden ihn beim Aufschlagen der Bibel. So oder so wünsche ich uns allen, was ein moderner Kanzelsegen sagt:

Gott schenke uns sein Wort für unser Herz und ein Herz für sein Wort!

Ihre Pfarrerin Almuth Koch-Torjuul